Die Ökobewegung ist zurück aus der Mottenkiste, und diesmal haben sie keine Hippies, rechte oder linke Landkommunen herausgekramt, sondern Kinder und Jugendliche der upper middle class aus den Wohlstandsländern dieser Welt, die ihre Angst vor der Zukunft pausbäckig herausposaunen, während der Großteil der Menschheit nicht einmal eine Gegenwart hat. „Wir stehen am Anfang eines Massenaussterbens…“ sagte Greta Thunberg, die heilige Jungfrau Maria der Klimaapokalyptiker, unter Tränen auf dem Klimagipfel in New York und fügte größenwahnsinnig an die Staatenlenker dieser Welt gerichtet an: „Wir werden euch das nicht durchgehen lassen. Die Welt wacht auf, und es wird Veränderungen geben, ob ihr es wollt oder nicht.“ (dpa) Für den zähen Durchhaltewillen, es auf dieser Welt auszuhalten (Extinction Rebellion), muss schon das Horrorszenario des Aussterbens der Menschheit als abschreckender Gegenentwurf zum Status quo bemüht werden, um zu insistieren, dass es Veränderungen geben wird, damit alles so bleibt, wie es ist. Dass es nicht so bleiben wird, wie es ist, ist durch den Aufstieg ehemaliger Kolonialländer, wie China oder Indien, aus denen Konkurrenten geworden sind, bereits beschlossen. Die moralische Anklage der besorgten Generation an die Führer der Welt bedeutet zweierlei: Einerseits sagt sie ihnen: „Macht Platz, eure Zeit ist abgelaufen, wir wollen an die Fleischtöpfe, unsere Legitimation ist die Rettung der Welt.“ Andererseits sagt sie: „Kennt euren Platz!“, sie will allen Aufsteigern der ehemaligen Dritten Welt mit der Klimaargumentation ihren Platz zuweisen. Hinter allem steckt die berechtigte Angst vor dem eigenen Abstieg, der mit der Selbstwahrnehmung nicht korrelieren will.
Die Verwüstung der Welt geht weiter – der Kampf um die Fleischtöpfe auch
Dem durchschnittlichen Chinesen, der endlich auch den ökologischen Fußabdruck einer Schwedin haben möchte, ist ziemlich egal, ob andere ihm seinen Aufstieg mit hohem moralischen Ton abstreiten oder zugestehen wollen, deswegen läuft der Protest weltweit ins Leere. Aber das war für jeden absehbar und einkalkuliert, es geht nämlich darum, die alten Eliten mit dem Sturm der Entrüstung von ihren Posten zu fegen und den Aufstieg der neuer Konkurrenten zu verhindern. Die Eltern- und Großelterngenerationen haben den Braten mittlerweile auch schon gerochen und versuchen, die eigenen Positionen an den Fleischtöpfen durch aktionistische Symbolpolitik für die Umwelt gegen die frechen Aufsteiger zäh zu verteidigen.
Zum ältesten Trick der Geschichte, allgemeines Interesse für das eigene vorzuschützen, passt zudem die unappetitliche Form des verbissen geführten moralischen Feldzuges, dieser will die Menschen direkt bessern, nicht ihre sozialen Verhältnisse umwerfen, damit die herrschenden Eigentumsverhältnisse möglichst unangetastet bleiben. Den Habenichtsen dieser Welt soll ihr freudloses Leben, zusätzlich vermiest durch klimaneutrales Verhalten, das in der ersten Welt ohnehin wie im offenen Vollzug und in der Dritten wie auf der Müllkippe geführt wird, mit der moralischen einwandfreien Gesinnung versüßt werden. Würde es den Klimaaktivisten wirklich darum gehen, die Welt vor ihrer endgültigen Verwüstung zu bewahren, könnten sie auf Kritik am bestimmten gesellschaftlichen Verhältnis nicht verzichten, ihr Objekt der Kritik aber hat sich längst verlagert, so und heulen sie mit den Wölfen: Der Mensch selbst wird zum Schädling der Welt und zum Feind der Ökobewegung, und damit harmoniert die Bewegung mit der Tendenz des Spätkapitalismus: vom Überflüssigwerden des Individuums zum belastendem Problemfall, dessen Lösung mit seiner Vernichtung identisch ist.
Die Angst der untergehenden bürgerlichen Funktionselite
Natur- und Ökologiebewegungen sind Symptome des Lebensüberdrusses und der Angst und haben dementsprechend eine lange Geschichte. Sie entstanden mit den ersten Krisen des Bürgertums und dem Niedergang der Kirche, so waren sie Schreckgespenste derselben ebenso wie sie ganz im Einklang mit ihnen standen und zugleich eine neue Sinnstiftung versprachen. Die Angst ist das Hintergrundrauschen des bürgerlichen Lebens, und diese besetzt immer neue Objekte oder greift eben alte wieder auf: die gelbe oder die rote Gefahr, das Weltjudentum, Ausländer und dunkle Mächte, der Kommunismus, Bakterien- und Keime, Börsenkrach, Krieg und Verderben, das Baumsterben und das Ozonloch usw. sind alles verschiedene Symptome der gleichen Diagnose. Der ständige Kampf gegen die feindlichen Mächte sorgt dafür, dass die Menschen vor Langweile und Hospitalismus im Alltag, der eher dem offenen Vollzug als den Versprechen der offenen Gesellschaft entspricht, nicht eingehen, er hält die Wirtschaft in Schwung und liefert die Schlagzeilen für die Medien. So entstanden als Reaktion auf die tägliche Bedrohung der Faschismus als bürgerliche Präventivschlagsbewegung gegen alle wirklichen und eingebildeten Feinde, die Friedens- und die Ökobewegung, Weltuntergangssekten, Verschwörungstheoretiker, Survivalists & Prepper etc. Ganze Industriezweige leben von der Angst der Bürger, und das nicht schlecht, Versicherungen sind Multimilliarden-Dollar-Unternehmen; Verlage, Zeitungen leben von der täglichen Aufwärmung dieser Ängste, jede Woche ein neues Bedrohungsszenario beim „Spiegel“, das die Menschen erschaudern lässt, die andauernde Angst vor dem Absturz der deutschen Wirtschaft und dem Bedeutungsverlust Deutschlands bei „Welt“, die Angst vor der Krankheit und Umweltgiften bei „Focus“, in der "FAZ" die Angst vor der Enteignung, die Angst vor Migranten und Impotenz bei „Bild“, und überhaupt würde mal eine Untersuchung lohnen, welche Ängste bei den jeweiligen Zeitungen am größten sind, das wäre dann eine interessante psychoanalytische Ferndiagnose von Redaktion und Leserschaft.
Die Ökobewegung als Wiederkehr des ewig Gleichen
Die Ökobewegung, diesmal unter dem bürokratischen Label „Fridays for Future“, der den Protest schon im Namen mühelos in den Alltag integriert, und dadurch schon Einverständnis mit ihrer absoluten Folgenlosigkeit signalisiert, durchlebt dieser Tage mindestens den fünften Aufguss seit den Naturbewegungen der deutsch fühlenden Jugend des 19. Jh., was auch daran liegt, dass die Verwüstung der Welt durch das Kapital nicht von der Hand zu weisen ist. Die Völkischen, allerhand Sekten, linke Bewegungen, Spinner und Wahnsinnige, die Grünen und heute auch die CDU/CSU und SPD verstanden oder verstehen sich neuerdings als Ökobewegung. Allen gemeinsam ist, dass Ticket die Natur zu schützen, zu nutzen, um den eigenen Machtanspruch durchzusetzen, der allen möglichen Ambitionen zugrunde liegt, z.B. die eigene Karriere den nötigen Kick zu verschaffen, Kanzler oder zumindest Ministerpräsident zu werden, einfach seinen Wahn auszuleben, Aufmerksamkeit zu bekommen oder der eigenen Angst ein Objekt zu zuführen.
Wenn sich alle weltgeschichtlichen Phänomene tatsächlich zweimal ereignen, nach Marx, das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce, was ist denn von der fünften, sechsten oder siebten Wiederholung einer Bewegung zu halten? Waren die früheren Bewegung meist nationale Bewegungen, waren sie in Deutschland stets völkisch, nach einem Wort von Wolfgang Pohrt: Ökobewegungen katalysierten hier stets nationale Erweckungsbewegungen, erst der Patrioten im 19. Jh. und frühen 20. Jh., später der Linken. Natur und Wald wurden als Urgrund der deutschen Seele und des deutschen Geistes phantasiert, das Eintreten für den Schutz der Umwelt durch eine Bewegung schuf die gemeinsame Identität als imagened community der Deutschen, kurz die Verbrüderung von Mob und Elite, um gemeinsam den Machtanspruch zu erneuern, dessen Erfüllung die Welt ihnen schuldete. Aber diese Zeiten sind unwiederbringlich vorbei, trotz der AfD, die man nicht mit einem neuen Rechtsruck verwechselt sollte, sondern diese Partei ist die Bad Bank der ideologischen Deutschland AG. Eine Auffang- oder Abwicklungsbank, um im Jargon der Finanzindustrie zu bleiben, in der alle toxischen Papiere entsorgt werden. Die AfD ist sozusagen eine ideologische Marktbereinigung, sie wird durch das Wegsterben ihrer überdurchschnittlich alten Mitglieder und Wähler von der politischen Bühne so schnell wieder verschwinden, wie sie aufgetaucht ist, wenn sie die Kurve von der Nazipartei zur Anti-Establishment-Bewegung nicht mehr hinkriegt, wonach es zur Zeit nicht aussieht.
Diesmal hat aber die Ökobewegung nationale Grenzen überschritten und ist ein Phänomen aller Wohlstandsländer geworden. Gymnasiasten und Studenten aller reichen Länder sind vereint, nicht um alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist (Marx), sondern damit die Katastrophe weiter geht wie bisher, nur umweltneutral; sie wollen ihre Zukunftschancen nicht verspielt sehen, die ihnen die Privilegien ihrer Eltern zu sichern schienen. Ob diese Zukunft lebenswert ist, spielt dabei die aller geringste Rolle. Dieser Fatalismus verhärmter Kinder und Jugendlichen wurde ihnen von der Erfahrung ihrer Eltern- und Großelterngeneration vermittelt, dem Scheitern aller sozialen Bewegungen und der damit bewiesenen Unverrückbarkeit bestehender Verhältnisse, in denen doch zumindest die Natur, unberührt wie in einem Märchen, Trost spenden könnte, und zumindest die Gefahr der möglichen Gefährdung für das eigene Leben gebannt sei. So schrieb schon Wolfgang Pohrt, Ideologiekritiker sozialer Bewegungen, Anfang der 1990er Jahre, dass die Menschheit seither jede Hoffnung verloren und darum keine Zukunft mehr hätte.
Verbitterten Alten ähnlich, die sich in der Wohnung verbarrikadieren, weil weder der Glaube an das Jenseits noch die Liebe zu den Kindern sie mit ihrem bevorstehenden Ende versöhnt, kannten besonders die Privilegierten keine Hoffnung und keine Erlösung mehr, nur noch Angst und Verhängnis. (Harte Zeiten 1993, S. 10)
Deswegen änderten sich auch die Formen und Inhalte von Protesten - Extinction Rebellion und Fridays For Future sind hier die besten Beispiele - bis heute nicht mehr, nochmal Pohrt:
Nicht von der Idee der Rettung, sondern der des Untergangs waren die apokalyptischen Massenbewegungen der 80er Jahre inspiriert – erkennbar daran, daß an die Stelle von love-ins nun die die-ins getreten waren, kindische Inszenierungen eines Massensterbens mit Särgen, Leichentüchern und Grabkreuzen als Requisiten. Im makabren Klamauk drückte sich die Todesgewißheit von Menschen aus, die das Leben mit den Augen des Massenmörders betrachten, unter dem Aspekt seiner möglichen Vergiftung, Verseuchung, Verstrahlung. (Ebd.)
Die Realität ist der Ort der Ent-täuschung
Das Schicksal der Menschheit hänge an der Ausstoßmenge von CO2 in den nächsten Jahrzehnten, das sei wissenschaftlich bewiesen, so argumentiert Fridays for Future. Wer die Zeitungsartikel kennt, die so beginnen wie „Kanadische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass…“ weiß aber, dass sich der Aberglaube heute nur durch eine wissenschaftliche Argumentation Gehör findet, das haben von Chamberlain und Hitler, über Gauland bis Sarrazin ungezählte Autoren bewiesen. Der Wille zum Untergang aus Überdruss am ungelebten Leben und zusätzlich schlechter materieller Perspektiven in demselben klammert sich vorgeblich an ein Höheres zu Schützendes - einerlei ob Vaterland oder Umweltschutz, das ist zeitgeistabhängig -, welches als moralischer Anker funktioniert, der die Lust am Untergang nur kaschiert. Diesem Spiel, welches bereits Sarrazin in „Deutschland schafft sich ab. Wie wir unser Land aufs Spiel setzen“ spielte, führt Klimaaktivistin Luisa Neubauer geschickt weiter und setzt noch einen drauf, nicht das Vaterland, soll vor degenerierten Untermenschen geschützt werden, sondern die ganze Welt soll gerettet werden, diesmal nicht von genetisch determinierten Leistungsträger deutscher Abkunft, sondern vom edlen Klimaaktivisten: „Vom Ende der Klimakrise. Eine Geschichte unserer Zukunft“. Wer beim Wort Zukunft noch verwundert an Hoffnung denkt, wird spätestens durch den Klappentext nicht enttäuscht, der den bornierten, noch national beschränkten, Untergangswunsch Sarrazins universalisiert und damit weit in den Schatten stellt, aber wohl nicht zufällig die gleiche Wortwahl präferiert:
Denn die Menschheit steht am Scheideweg. Wenn wir jetzt nicht den Kurs ändern, schaffen wir uns selbst ab. (Luisa Neubauer)
„Abschaffen“ hat gegenüber „Untergang“ noch die Konnotation des technisch Machbaren, der Intention des Todeswunsches, des selbstgemachten Schicksals. Die Machbarkeit aber ist eine Illusion, der Todeswunsch ist kein selbstgewähltes Schicksal, sondern den Institutionen einer bereits abgestorbenen Gesellschaftsformation eingeschrieben, die sich im Autopilotenmodus befindet, die Verwüstung der Welt, die Auspressung der Natur (auch des Menschen) und schließlich das Beseitigen der Überflüssigen gehört zum Geschäftsmodell des Kapitalismus. Das Abschaffen der Menschlichkeit und das Massensterben braucht das Vehikel der bevorstehenden Umweltkatastrophen überhaupt nicht, das haben die Menschen bisher immer noch selber viel besser hinbekommen als jeder Klimawandel. Der Mensch ist das anpassungsfähigste Lebewesen dieser Erde, kann in der Arktis wie in der Wüste überleben, was er seit Jahrtausenden bewiesen hat, was er allerdings nicht überlebt, sind die Mörsergranaten, Giftgas, Atombomben und andere Vernichtungsvorrichtungen, die andere Menschen gegen ihn einsetzen. Der Klimawandel hat und wird keine staatlich organisierten Genozide verursachen, Weltkriege auslösen, Atomsprengköpfe auf die Massen regnen oder Menschen verhungern lassen, einfach dadurch, dass sie zu arm sind, sich Lebensmittel zu kaufen. Der Klimawandel ist eine abstrakte Gefahr, die einmal konkret werden könnte oder auch nicht. Genau deswegen lässt er sich so prima instrumentalisieren, sei es Karrieresprungbrett oder als Projektionsfläche eigener Ängste oder Ressentiments, die sich aus ganz anderen Quellen speisen. Niemand wird tatsächlich etwas gegen ihn unternehmen können oder ihn realistisch aufhalten können, schon allein, weil niemand genau weiß, ob er real ist oder wird, ob Umweltschutzmaßnahmen ihn aufhalten können oder nicht, ganz im Gegensatz zum Lebenselend der Menschen, das hier und heute konkret behoben werden könnte.
Die Aktionen der Klimaaktivisten erinnern in ihrem Versuch erhört zu werden, an einen Mediziner, der einen hirntoten Menschen zu reanimieren versucht, oder der ein Breitbandantibiotikum gegen einen komplett resistenten Bakterienstamm eingesetzt. Die Bandbreite der halbgaren und kraftlosen Durchsetzungsversuche der Klimaziele, die von der Erpressung über die Anbettelei der Mächtigen bis zum Größenwahn reicht „Wir lassen euch das nicht durchgehen.“ (Greta Thunberg), ist deshalb nicht als Schizophrenie zu verstehen, sondern als Ausdrucks des Maßes an Verzweiflung, an der Welt auch nur irgendwas ändern zu können. Ebenso die Bandbreite der Argumentation, die vom Wissenschaftlichkeitssprech bis zu „Ich will, dass ihr in Panik geratet.“ (Thunberg) reicht. Auch das absurde Spektakel von verkleideten Strebern, die entgegen aller Logik einerseits ihre Jugend für gute Noten, unbezahlte Praktika und Karrierechancen opfert, andererseits den Untergang erwartet, denn die Form der Proteste, das Gelatsche und Getröte durch die Innenstädte, entlockt bei den Mächtigen nicht mal ein Gähnen und alle wissen: Nichts wird sich durch Schlafwagenaktionismus ändern, und eigentlich wollen sie es auch nicht, sie wollen Arbeitsplätzen, gut bezahlte Stellen und ein gutes Gewissen. Denn wenn das Massensterben wirklich vor der Türe stünde und man etwas dagegen tun könnte, reichen dann langweilige Demos, Schulstreiks jeden Freitag, schmissige Sprüche auf lustigen Plakaten, die eventuell Eindruck beim Recruitment von Reklamefirmen hinterlassen, oder statt eines Flugzeuges umständlich und aufwendig mit einem Segelschiff zum Klimagipfel zu gelangen? Wenn es wirklich so ernst ist, müsste dann nicht auch ernst gemacht werden? Wenn die Lage existentiell bedrohlich ist, wenn das Gefühl der Angst die Rationalität lahmlegt und den Körper mit Adrenalin vollpumpt, schwänzt man dann die Schule, und zwar nur an Freitagen? Die unmittelbare Angst kann also nur ein Blendwerk sein, eine Legitimation etwas anderes raus zulassen, nämlich die latente Angst des Verlustes der Privilegien durch die globalisierte Konkurrenz, die keine Schlupflöcher des Nepotismus zumindest für den ehemaligen Mittelstand mehr zulässt, und den Folgen der Zerstörung der Natur.
An den Erfolg der Klimaaktivisten glauben deren Anhänger deshalb am allerwenigsten, sie schwanken zwischen Anpassung bis zur Selbstaufgabe und der Lust am Untergang; einerseits Alarmstimmung - der Weltuntergang stehe bevor, wenn der CO2-Ausstoß nicht sofort signifikant verringert werde, andererseits völlig belang- und folgenlose Protestaktionen, die dem kolportierten Horrorszenario nicht im Geringsten gerecht werden. Bei so vielen Widersprüchen braucht es keine Ausbildung zum Psychoanalytiker, den Zusammenbruch der Lebensvoraussetzung als Projektion der Angst vor dem Abstieg, vor dem drohenden Verlust der Privilegien zu dechiffrieren. An dem drohenden Verlust der Privilegien ist der Aufstieg ehemaligen Kolonialländer schuld, sie sind zu neuen Konkurrenten auf dem Weltmarkt geworden. Autoritäre Staaten wie China haben ihren Innovationsvorsprung in der Politik genutzt, um das Produktionsniveau des Westens in das Land zu holen. Die Menschen des größten nationalen Binnenmarktes sind bereit für den Aufstieg, sie brauchen dafür keine Bürgerrechte und keinen Urlaub, nur unermesslichen Ehrgeiz. Sie haben es satt zu hungern, zu frieren, keine Perspektive zu haben. Sie wollen ihre Kinder an Eliteschulen schicken, im Ausland studieren lassen, Haus, Auto und Garten haben, wie es der Kapitalismus allen verspricht. Dafür nehmen sie einiges auf sich, verzichten auf politisches Mitspracherecht, wie in China oder werden zu Migranten, wie viele Afrikaner, die ihre „shitholes“(D. Trump) verlassen. Damit sind die Konfliktlinien dieses Manövers vorgezeichnet, auch wenn die Gegner noch nicht explizit genannt wurden: Hier die vorgeschützten unschuldigen Kinder, mit dem universell moralischen Anspruch die Welt zu retten, wo es doch um die berechtigte Angst vor dem Verlust der Privilegien geht, die ihre Eltern noch genießen durften. Auf der anderen Seite die nach Wohlstand lechzenden Massen der ehemaligen und noch existierenden Dritten Welt, die heute Konkurrenten geworden sind, und die bei ihrer Aufholjagd unweigerlich die Erderwärmung und die Verwüstung der Welt beschleunigen werden und sich vom ohnmächtigen, und deswegen ökologisch-moralisch geführten Krieg der Ersten Welt nicht beeindrucken werden lassen.
Der Mensch als Feind
Wenn der Kampf gegen den Klimawandel eines beweist, dann, wie machtlos nicht nur der Einzelne, sondern selbst eine größere Bewegung ist, da sie es nicht einmal schafft, irgendeinen nennenswerten Gesetzesentwurf zu beeinflussen, welcher gegen die Zerstörung der eigenen Lebensgrundlage wirksam sein könnte - das gesamtgesellschaftliche Verhängnis ist weder mit Demokratie noch mit Protesten beizukommen. Wenn also das Verhängnis seinen Lauf nimmt, wenn die gesellschaftlichen Institutionen für immer als unantastbar von den Menschen erfahren werden, richtet sich der Hass auf die unmittelbaren Verursacher, der sich scheinbar anbahnenden Naturkatastrophen, nicht auf das gesellschaftliche Verhältnis, dessen Geschäftsgrundlage es ist, keinen Stein mehr auf den anderen zu lassen, um die Müllberge bis in den Himmel wachsen zu lassen und trotzdem die Menschen ins Unglück stürzt. Der Mensch selbst wird zum Schädling, zur „Umweltsau“ (WDR), der entweder unmittelbar besser gemacht werden oder bei Renitenz am besten gleich ganz verschwinden soll.
Die erste Maßnahme, den Menschen unmittelbar zu bessern, hat sich bereits als untauglich erwiesen, aber immerhin zur Professionalisierung und Institutionalisierung der Sozialen Arbeit und ganzer Berufszweige geführt, d.h. es hat den Angepassteren zu einem Auskommen verholfen. Wobei alles gute Zureden seine Grenzen hat, besonders, wenn es um das Abgewöhnen liebgewonnener Privilegien geht. Wenn die Klimasünder, und das betrifft praktisch die gesamte Menschheit, die in der Moderne angekommen ist, nicht hören will und sich nicht den neuen, noch frugaleren Verhältnisse selbst für den ehemaligen Mittelstand, mit gutem Klimagewissen versüßt, fügen möchten, wird die Macht auch wieder anders können:
Der Wille, die Menschen nicht durch Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse, sondern unmittelbar zu bessern, oder der Wille, die bürgerlichen Eigentumsverhältnisse beizubehalten und gleichzeitig die Menschen zum Verzicht auf Diebstahl und Eigennutz und zur praktischen Selbstlosigkeit zu erziehen, hat bekanntlich schon in der französischen Revolution unter Robespierre zu drakonischen Erziehungsmaßnahmen geführt. (Pohrt, S. 39 f.)
Bei dieser neuen Erziehungsdiktatur möchten die Protagonisten der neuen Klimabewegung natürlich auf der Seite der Unterdrücker, der Richter, Henker und Lehrer stehen, und für die bekannten Gesichter wird sich ihr Engagement in Zukunft auch auszahlen. Ein erstes Angebot in den Aufsichtsrat von Siemens zu wechseln wurde Luisa Neubauer schon gemacht, der es natürlich eine willkommene Gelegenheit war diesen durchsichtigen Versuch der Bestechung triumphierend abzulehnen, denn die lukrativen und Aufmerksamkeit generierenden Posten mit der Lizenz zum Knüppel werden in Zukunft eher bei den Grünen oder einer EU-Behörde zu finden sein. Problematischer als der Kampf um die Fressnäpfe allerdings, könnte der Entzug grundlegender Individualrechte von Bürgern sein zum Schutze des Klimas. Hier bringt die Klimabewegung einen Hebel mit, der keinen Nationalsozialismus mehr braucht, um das Existenzrecht von Menschen in Frage zu stellen. Für die Rettung der Welt ist kein Opfer zu groß.
In dem Maße wie nicht mehr die Kritik an Kapitalismus und Imperialismus die öffentliche Diskussion bestimmt, sondern Themen wie Überbevölkerung, Raubbau an der Natur, Energieverschwendung, Waldsterben, Umweltverschmutzung, hat sich auch der Gegner verwandelt: kein bestimmtes gesellschaftliches Verhältnis der Menschen, keine herrschende Klasse, sondern der Mensch selbst ist der Feind und Schädling." (Kreisverkehr, Wendepunkt, 46.)
Die Konsequenz, auf die Kritik der historisch-spezifischen Gesellschaftsform zu verzichten und den Menschen unmittelbar bessern zu wollen, ist bei zu erwartenden Renitenz der Menschen auch noch auf die verbliebenen Brotkrumen des monströs angeschwollenen Produktionsapparates aus Klimagründen zu verzichten, eindeutig vorgegeben: Der Mensch wird als Feind und Schädling identifiziert und die Rettung der Welt ist mit der Vernichtung dieser Menschen identisch oder mit einem Teil von ihnen. Die ersten Aussagen der Sinnsucher der jungen Generation haben auch schon die ersten Opfer ausgemacht, nämlich die Unproduktiven, die trotzdem konsumieren und so dem Klima schaden. Hier vor allem die Alten, aus dem Produktionsprozess bereits ausgeschiedenen, die unmittelbaren Täter der anstehenden Klimakatastrophen, ihnen wird schon jetzt jedes politische Mitspracherecht abgesprochen, mit dem Hinweis, dass sie ja ohnehin bald nicht mehr da seien.[1] Die Öffentlich Rechtlichen haben in vorauseilendem Gehorsam zugleich ein witziges Kinderlied kreiert, das die Großelterngeneration als Umweltsau denunziert. Jemanden zu vernichten, der als unproduktiver Klimakiller eine Umweltsau ist und für den Tod von vielleicht Millionen von Menschen bald verantwortlich sein wird, fällt es schon wesentlich leichter als unschuldige klimabewegte Kinder, die sich auf der sicheren Seite wähnen, was aber täusche könnte. Auch hier hat der unvergleichliche Wolfgang Pohrt bereits vor über 30 Jahren den Nagel auf den Kopf getroffen:
Nicht alle stehen ganz oben auf der Prioritätenliste, aber irgendwo steht jeder. Zu viele Kinder für die Kindergärten. Zu viele Alte für die Pflegeheime. Zu viele Kranke für die Krankenkassen. Zu viele aber auch, die kerngesund und in den besten Jahren sind. Woher die Arbeitsplätze nehmen? So kommt das, wenn man die Anwesenheit von Menschen, ihre bloße Existenz, nicht mehr als Selbstverständlichkeit betrachtet, sondern als Belastung – für die die Krankenkassen, für die Haushaltslage, für die Infrastruktur, für die Natur, für den Arbeitsmarkt. (187 f.)
Die Aufkündigung der Selbstverständlichkeit des Menschen, welche die spätkapitalistische Gesellschaft auf den Weg gebracht hatte und mit der sie durch die Vernichtung unwerten Lebens, scheinbarer Parasiten und Profiteure in Konzentrationslagern durch Volk und Staat konsequent ernst machte, verträgt sich heute wieder ganz wunderbar mit der menschenfeindlichen Haltung der Klimabewegten, die ja schließlich die Kinder dieser Gesellschaft sind. Man soll ich sich nicht täuschen, diese Selbstverständlichkeit des Menschens als Gottes Ebenbild, welche dem Christentum zugeschrieben werden kann, hat sich ganz vorzüglich mit einer „natürlichen“ Hierarchie mittelalterlicher Ständegesellschaften vertragen, erst die Aufklärung fügte diesem Selbstverständnis eine formalisierte Gleichheit der Individuen hinzu. Da sie aber vor inhaltlichen Gleichheit, welche gleichbedeutend mit der Aufhebung kapitalistischer Produktionsweise und Herrschaft ist, zurückschreckte, verwandelte sich diese formale Gleichheit unter dem Primat der Verwertung der Arbeitskraft in Gleichgültigkeit gegenüber den Unproduktiven.
Letztendlich sind Fridays For Future und Extinction Rebellion, trotz der nicht unberechtigten Angst, dass die Verwüstung der Welt durch den Verwertungsdruck des Kapitals auch die eigene Haustür erreicht, Aufrufe zum Weiterso, für ein Leben als Überleben. Der Durchhaltewille wird als Angst deklariert, und die Opfer für die neue klimaneutrale Umweltpolitik sollen bitte die anderen bringen. Die Alten sollen weg von den Fressnäpfen und den jungen Klimapolitprofis Platz machen und die neuen Umweltsünder der ehemaligen Dritten Welt sollen gar nicht erst rankommen. Die eigentliche große Sorge ist der Verlust der eigenen Privilegien, der nicht durch die Zerstörung der Umwelt und Zivilisation ins Haus steht, sondern durch die Globalisierung, sprich die totale Konkurrenz durch ehemalige Kolonialländer in Zeiten, in denen es kaum noch Kündigungsschutz gibt und die Jobberechtigungsscheine, die die Universitäten in Form von Mastern und Diplomen ausstellen, rasant an Wert verlieren. Der altruistische Legitimationspopanz der neuen Klimabewegung entlarvt sich durch den einfachen Umstand von selbst, dass durch Umweltkatastrophen, denen noch nicht mal ein Zusammenhang zum Klimawandel nachgewiesen werden kann, weitaus weniger Menschen zu Tode kommen, als durch Hunger jedes Jahr sterben; und diesen 9 Millionen hätte mit Leichtigkeit geholfen werden können, wogegen es schwierig ist, vorherzusagen, ob 1 Grad Celsius weniger jenen Erdrutsch oder diesen Waldbrand verhindert hätte können. Die Mischung aus realistischen Sorgen und hysterischen Untergangsphantasien, die zu einer Bewegung als Event für die Mitläufer und zu einem Schaulaufen der Anführer für die Posten der Zukunft geworden ist, ist alles in allem eine soziale Bewegung der Jüngsten, die ein typischer Ausdruck des bürgerlichen Sozialcharakters ist, der vor lauter Sorge nicht mehr zum Leben kommt: „Ihr habt mir meine Jugend geklaut.“ sagte Greta Thunberg stellvertretend für ihre Generation. Die Deformation des bürgerlichen Charakters zum Angsthasen ist durch ständige Verlustängste geprägt, denn die eigenen Privilegien kann man verlieren durch Geld und durch Ansprüche auf dasselbe mittels Positionen im Apparat. Eine Angst die frühere Eliten, wie der Adel nicht kannten, weil ihre Privilegien angeboren und unverlierbar waren. Außerdem nagt die Schuld am Gewissen dieses Charakters, weil die bürgerliche Theorie den gerechten Tausch und die gleichen Rechte propagiert und weil ein jeder weiß, dass es insgeheim eine Lüge ist. Dieses Gewissen muss beruhigt werden durch einen hohen moralischen Anspruch, den man in die Welt hinausposaunt und gleichzeitig im selben Maß, ähnlich dem Reziprozitätsprinzip im Tausch, von den anderen fordert. Diese Mischung aus Angst, dem autoritären Pochen auf Reziprozität in einer vordergründig gemeinsamen Sache, die aber vor allem den eigenen Vorteil sichert, den man gar nicht mehr wahrnimmt, weil das Vorrecht in Fleisch und Blut übergegangen ist, verfestigt und verhärtet den Charakter, früher ein Phänomen, das erst im Alter so richtig durchschlug, ist heute ein Phänomen der Jugend, einst ein Lebensabschnitt, in dem man sich noch nicht mit allen Scheußlichkeiten dieser Welt abgefunden hatte. So macht der pausbäckige und reflexionslose Anspruch, die Welt zu retten - hätte er Reflexion, dann wäre der Anspruch sie abzuschaffen - den Eindruck eines Greisenaufstandes. Die Sorge um die Natur und die Lebensgrundlage der Menschen – der nun wirklich jeder zustimmen kann, der von der Verwüstung des Planeten nicht unmittelbar profitiert – wirkt wie eine nachträgliche Rationalisierung der Angst mit der Funktion, Einverständnis und Aufmerksamkeit zu generieren, und wenn es gut läuft, ein Auskommen zu sichern: Wir werden die volljährige Greta Thunberg sicherlich bald wieder in einem UN-Gremium und Luisa Neubauer im EU-Parlament wiedersehen. So long!
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