Tobias Baranski
Zeitloser Geist oder geistlose Zeit?
"Ohne eine geistige Erneuerung könnte für die “letzten Menschen des Kapitalismus”, so Max Weber, wahr werden, dass sie zu “Fachmenschen ohne Geist, Genußmenschen ohne Herz [werden]: dies Nichts bildet sich ein, eine nie vorher erreichte Stufe des Menschentums erstiegen zu haben.”[1] Warum man in Webers Schriften ein prophetisches Werturteil im Konjunktiv findet, wo er diese doch vehement ablehnte, darüber kann man nur spekulieren. Macht man das, so ist es nicht ganz unwahrscheinlich, dass er eine solche geistige Erneuerung sehr befürwortet hätte, war seine Prophetie doch bereits Wirklichkeit geworden. Aber eine solche Erneuerung war auch im Ansatz nicht auszumachen, vielmehr war die Barbarisierung des Geistes als Surrogat derselben zu konstatieren, die sich im heilserwartenden Nationalismus, Antisemitismus, Rassismus und Bellizismus bahnbrach.[2] Denn eine Erneuerung des Geistes zu erwarten, musste enttäuscht werden, ohne dass der Geist sich auch verwirklichte, dass er die Massen ergreife und das herrschende Produktionsverhältnis umwerfe, aus dessen jeweiliger Ideologie er nämlich selber stammte und das somit zugleich seine Grenzen markierte. Als deutscher Soziologieprofessor war Weber aber doppelt gegen den Materialismus geimpft, deshalb waren ihm solche revolutionäre Attitüden natürlich fremd. Ebenso der deutschen Arbeiterklasse, die sich lieber im Schützengraben zur Volkgemeinschaft zusammenschweißen ließ. Das so etwas passieren könnte, konnte der Geist (der Revolution) natürlich nicht vorhersehen, er war somit untauglich und wurde zurecht gleich zusammen mit den Leichenbergen begraben. Wie im liberalen Kapitalismus die Aufhebung der modernen Barbarei des Klassenverhältnisses, angetrieben durch seinen einzig vorstellbaren historischen Sinn für die geknechteten Menschen – der Entwicklung der Produktivkraft -, möglich schien, ist diese Möglichkeit im Spätkapitalismus der Konsumtion von Reklame und der sinnlosen Schrottproduktion der autoritären Monopole und Staaten, die die Welt verwüsten und die Menschen bevormunden und überflüssig machen, komplett aus dem Sinn geraten. Jener Geist der Negation, der als Gespenst einst Europa unsicher machte, hat sich in Luft aufgelöst und kann nur noch erinnert werden. Grund genug für ein Epitaph.
"Ohne eine geistige Erneuerung könnte für die “letzten Menschen des Kapitalismus”, so Max Weber, wahr werden, dass sie zu “Fachmenschen ohne Geist, Genußmenschen ohne Herz [werden]: dies Nichts bildet sich ein, eine nie vorher erreichte Stufe des Menschentums erstiegen zu haben.”[1] Warum man in Webers Schriften ein prophetisches Werturteil im Konjunktiv findet, wo er diese doch vehement ablehnte, darüber kann man nur spekulieren. Macht man das, so ist es nicht ganz unwahrscheinlich, dass er eine solche geistige Erneuerung sehr befürwortet hätte, war seine Prophetie doch bereits Wirklichkeit geworden. Aber eine solche Erneuerung war auch im Ansatz nicht auszumachen, vielmehr war die Barbarisierung des Geistes als Surrogat derselben zu konstatieren, die sich im heilserwartenden Nationalismus, Antisemitismus, Rassismus und Bellizismus bahnbrach.[2] Denn eine Erneuerung des Geistes zu erwarten, musste enttäuscht werden, ohne dass der Geist sich auch verwirklichte, dass er die Massen ergreife und das herrschende Produktionsverhältnis umwerfe, aus dessen jeweiliger Ideologie er nämlich selber stammte und das somit zugleich seine Grenzen markierte. Als deutscher Soziologieprofessor war Weber aber doppelt gegen den Materialismus geimpft, deshalb waren ihm solche revolutionäre Attitüden natürlich fremd. Ebenso der deutschen Arbeiterklasse, die sich lieber im Schützengraben zur Volkgemeinschaft zusammenschweißen ließ. Das so etwas passieren könnte, konnte der Geist (der Revolution) natürlich nicht vorhersehen, er war somit untauglich und wurde zurecht gleich zusammen mit den Leichenbergen begraben. Wie im liberalen Kapitalismus die Aufhebung der modernen Barbarei des Klassenverhältnisses, angetrieben durch seinen einzig vorstellbaren historischen Sinn für die geknechteten Menschen – der Entwicklung der Produktivkraft -, möglich schien, ist diese Möglichkeit im Spätkapitalismus der Konsumtion von Reklame und der sinnlosen Schrottproduktion der autoritären Monopole und Staaten, die die Welt verwüsten und die Menschen bevormunden und überflüssig machen, komplett aus dem Sinn geraten. Jener Geist der Negation, der als Gespenst einst Europa unsicher machte, hat sich in Luft aufgelöst und kann nur noch erinnert werden. Grund genug für ein Epitaph.